Schon vor Sonnenaufgang ist es drückend warm und von überall her hört man die Geräusche unzähliger Tiere. Unsere Vorfreude ist gross, denn wir sind auf dem Weg zu einem See im Nordwesten Sri Lankas. An diesem Morgen sind mein Vater und ich schon um halb sechs aufgestanden, um noch vor Sonnenaufgang den See zu erreichen. Nach zwanzig Minuten Fussmarsch von unserer Unterkunft aus kommen wir am See an. In der Dämmerung können wir bereits die Silhouetten der Vögel am Ufer erkennen. Ausser ein paar wenigen Fischern sind wir die einzigen, die an diesem Morgen am See anzutreffen sind.
Schon bald geht die Sonne auf. Zunächst wird sie von einigen Wolken verdeckt, doch bald kommt sie zum Vorschein und taucht die Landschaft in ein wunderschönes, orangefarbenes Licht. Die “goldene Stunde” der Fotografie hat begonnen. Vor uns steht ein abgestorbener Baum, auf dem wir mehrere Raubvögel und einen Eisvogel namens Storchschnabelliest ausmachen können. Der tote Baum steht im Gegenlicht der Sonne. Vorsichtig hebe ich meine Kamera und versuche, diese stimmungsvolle Gegenlichtsituation festzuhalten.
Zuerst fotografiere ich den Raubvogel, wobei ich mich so positioniere, dass die Sonne im Hintergrund des Bildes Platz findet.
Danach gelingt mir auch ein Foto des Eisvogels.
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Wir wollen keine Zeit verlieren, denn die Sonne steigt schnell höher, und das schöne goldene Licht wird bald verschwinden. Also gehen wir weiter, um nach weiteren Vögeln Ausschau zu halten. Am Ufer des Sees werden wir fündig: Dort sammeln sich Hunderte von Vögeln – so viele, wie ich noch nie zuvor gesehen habe. Die meisten Vögel sind um diese Zeit auf Nahrungssuche, ähnlich wie die Fischer, die für ihren Lebensunterhalt sorgen. Vorsichtig nähere ich mich den Vögeln. Ganz unbemerkt gelingt mir das jedoch nicht. Einige Seidenreiher fliegen auf und ich nutze die Gelegenheit, einen im Flug zu fotografieren.
So lautlos wie möglich lege ich mich auf den matschigen Boden am Seeufer. Das mag vielleicht ungemütlich klingen, aber nur so komme ich auf Augenhöhe mit den Vögeln. In dieser niedrigen Position bin ich zudem besser getarnt. Die meisten Vögel sind jedoch wachsam und bemerken mich trotzdem. Instinktiv wenden sie sich von mir ab und gehen in andere Richtungen. Nur wenige Vögel merken scheinbar nichts von meiner Anwesenheit und setzen ihre Nahrungssuche fort.
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Ein Seidenreiher nähert sich mir. Ganz gebannt starrt er ins Wasser, als hätte er einen Fisch entdeckt. In Gedanken sehe ich ihn schon blitzschnell mit dem Schnabel ins Wasser stossen, doch es passiert nichts und er wendet sich schliesslich ab.
Etwas weiter weg erspähe ich mehrere Eisvögel und Rotlappenkiebitze. Ein Eisvogel sitzt auf einem Ast und beobachtet ein Wasserloch unter sich – vermutlich auf der Jagd nach Fischen. Langsam löse ich mich aus meiner liegenden Position und krieche möglichst unauffällig über den schlammigen Boden näher an den Eisvogel heran. Er bemerkt mich und wendet seinen Blick vom Wasser ab, doch er bleibt ruhig auf dem Ast sitzen. Ich richte meine Kamera auf ihn und es gelingt mir, meine bisher besten Fotos dieser Vogelart zu machen. In europäischen Gewässern konnte ich bisher nur einen Eisvogel aus relativ weiter Entfernung fotografieren. Mich hat diese Vogelart wegen ihres leuchtend blauen Federkleids schon lange fasziniert und an diesem Morgen erfüllt sich endlich mein Wunsch nach einem guten Foto.
Geduckt bewege ich mich weiter und komme einem Rotlappenkiebitz immer näher. Zwischen uns liegen nur noch wenige Meter. Er schreitet über den grasbewachsenen Boden, ohne mich oder mein Objektiv aus den Augen zu lassen. Im Hintergrund liegt der See und das gegenüberliegende Ufer wird von der Morgensonne in warmes Licht getaucht. Beim Fotografieren entsteht so ein malerischer Hintergrund mit Farben, die fast einem Regenbogen gleichen.
Der Vogel bewegt sich weiter ins tiefgrüne Gras und die Stimmung verändert sich vollständig. Schliesslich verschwindet er fast gänzlich im Gras, nur sein Oberkörper ragt noch heraus.
Hinter mir raschelt es im Gras. Ich drehe mich um und schaue einem Orientspornpieper direkt in die Augen. In seinem Schnabel trägt er ein Büschel Pflanzenfasern, vermutlich für den Nestbau. Es ist ein wahrer Glücksfall, dass ich diesen Moment festhalten kann.
Ich richte meinen Blick auf die übrigen Vögel um mich herum und versuche, auch von ihnen Fotos zu machen. Je nachdem, wie weit sie entfernt sind, gelingen mir bessere oder weniger gute Aufnahmen. Oft muss ich meine Position ändern, weil der Hintergrund störend ist oder die Vögel nicht in der gewünschten Position stehen.
Inzwischen ist das goldene Licht vorüber, doch das Licht bleibt ideal zum Fotografieren. Der Himmel ist leicht bewölkt, was das Licht weich erscheinen lässt. Bei klarem Wetter wäre es jetzt schon viel zu grell.
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Es beeindruckt mich, wie viele Vögel sich hier versammelt haben und in welch fantastischem Lebensraum sie sich befinden. Es ist das erste Mal, dass ich so viele Vögel an einem Ort beobachten kann. Solche Orte sind einzigartig und werden leider immer seltener. Umso trauriger ist es, zu sehen, wie diese Lebensräume allmählich zerstört werden und die Vögel ihr Zuhause verlieren.
(Foto Bienenfresser im Flug!)
Ich versuche, den Bienenfressern näher zu kommen, die ich bereits mehrmals während dieser Reise beobachten und fotografieren konnte. Fasziniert beobachten wir, wie sie sich akrobatisch an dünne Äste klammern und nach Insekten Ausschau halten. Sobald sich eine Gelegenheit bietet, stürzen sie sich von den Ästen herab, um ihre Beute zu jagen. Mein Traumbild wäre ein Flugfoto eines Bienenfressers gewesen, doch das gelingt mir nicht besonders gut. Ihre Geschwindigkeit überfordert meine Reaktionsfähigkeit, und der Moment des Abflugs ist kaum vorherzusehen.
Stattdessen gelingen mir einige Porträtaufnahmen dieser Vögel.
Eine dieser Aufnahmen gefällt mir besonders gut, da sich gleich zwei Bienenfresser nebeneinander auf einem Ast befinden.
(Fotos!)
Neben den Bienenfressern können wir an diesem Morgen noch viele weitere Vogelarten beobachten. Einige Vögel sind nicht sehr scheu, während andere extrem empfindlich reagieren und sich frühzeitig entfernen. Da der Tag inzwischen angebrochen ist, sind wir nicht mehr die einzigen, die um den See anzutreffen sind. Einige streunende Hunde jagen teilweise den Vögeln nach, was die Beobachtung für uns erschwert.
Einer der Hunde jagt einem Rotlappenkiebitz hinterher, den ich dann im Flug festhalten kann.
Eine für mich ganz neue Art ist der Indische Triel, den ich an diesem Morgen zum ersten Mal beobachten kann. Auch von dieser Vogelart gelingt mir ein Foto. Wie so oft leuchtet im Hintergrund das Blau des Sees und das tiefe Grün des Waldes hervor.
(Fotos der grösseren Vögel!)
Grössere Vögel stellen für mich die grösste Herausforderung dar. Sie sind oft scheuer als die kleineren Vögel und werden durch das Verhalten der kleineren Vögel auf uns aufmerksam. Zu den grösseren Vogelarten, die wir an diesem Morgen beobachten, zählen der Silberklaffschnabel, der Schwarzhalsibis und verschiedene Reiherarten, von denen mir bereits Aufnahmen gelungen sind. Die Silberklaffschnäbel bewegen sich oft in Gruppen von mehreren Dutzend Vögeln, und die Chance, dass uns einer bemerkt, ist gross. Da wir die Tiere nicht stören wollen, lassen wir diese Gruppe in Ruhe.
Ein Silberklaffschnabel hält sich jedoch ein wenig abseits der Gruppe auf. Es gelingt mir, mich ihm anzunähern und relativ nahe Aufnahmen zu machen – natürlich immer darauf bedacht, genügend Abstand zu halten, um den Vogel nicht zu verscheuchen.
Wir bewegen uns weiter um den See und achten besonders auf Äste und Bäume, da sich darauf oft Vögel niederlassen. Die Herausforderung besteht darin, Vögel zu finden, die auf Augenhöhe sitzen, da sie sich oft in den Wipfeln der Bäume verstecken, wo gute Fotos schwierig sind. Doch manchmal haben wir Glück und entdecken Vögel, die auf tieferen Ästen oder Baumstümpfen sitzen. Dann gelingen mir oft die Fotos, die ich mir am meisten wünsche.
Foto des Brahminenweihs!
Wir haben Glück und sehen sogar Raubvögel, die auf Bäumen sitzen. Die meisten Raubvögel kreisen jedoch in der Luft und suchen von dort nach Beute. Eine besonders interessante Beobachtung machen wir bei einem Brahminenweih. Obwohl ich ihn aus der Froschperspektive fotografieren muss, da er auf einem Baum sitzt, bin ich mit dem entstandenen Bild sehr zufrieden. Für einen Moment wirkt es, als würde der Vogel über uns wachen.
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Zum Abschluss dieses erfolgreichen Morgens treffen wir auf eine uns bisher unbekannte Eisvogelart – den Graufischer. Wie andere Eisvögel sitzt er auf einem Ast und wartet auf den perfekten Moment, um einen Fisch zu fangen. Als ich das Foto mache, erscheint die Sonne hinter einer Wolke, was ein wunderschön weiches Licht erzeugt. Doch als die Wolke vorüberzieht, steht die Sonne mittlerweile hoch am Himmel, und das Licht wird zu grell für die Fotografie. Wir beenden daher unsere Vogelbeobachtung und kehren mit vielen schönen Erinnerungen zu unserer Unterkunft zurück.
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