Sterntaucher im Morgenlicht

Noch vor halb zwei Uhr morgens bin ich aufgestanden, um rechtzeitig vor Sonnenaufgang das nahegelegene Sumpfgebiet zu erreichen. Aufgeregt schwinge ich mich auf mein Fahrrad und fahre los. Schon nach nur zwanzig Minuten komme ich an. Es dämmert bereits, und bald ist auch die Morgenröte am Horizont zu erkennen. Das liegt daran, dass hier in Schweden, auf der Nordhalbkugel, die Tage im Sommer länger sind als auf der Südhalbkugel – ein Effekt, der sich durch die Neigung der Erdachse erklären lässt.

Morgendämmerung im Sumpfgebiet.

Mein Ziel an diesem Morgen ist es, Sterntaucher zu beobachten. Also wate ich langsam und möglichst geräuschlos über den sumpfigen Boden. Teilweise sinke ich tief ein, doch ich komme gut voran. In der Ferne höre ich klagende, durchdringende Rufe. Sie lassen keinen Zweifel: In meiner Nähe müssen sich Sterntaucher aufhalten. Aus Erfahrung erkenne ich ihren Gesang sofort – obwohl ich sie schon oft gehört habe, ist mir bislang noch kein gutes Foto gelungen.
Ich wate weiter, und bald bestätigen sich meine Vermutungen: In einem kleinen See entdecke ich die Vögel. Ich bin überglücklich, sie gefunden zu haben – noch dazu bei solch schönen Lichtverhältnissen. Nun stellt sich die grosse Frage, wie ich mich am besten positionieren soll, ohne die Vögel aufzuschrecken. Ich entscheide mich, einen weiten Bogen um sie zu machen und mich am Rand des Sees hinter einem Busch zu verstecken. Dort angekommen, lege ich mich auf den moosigen Boden und das lange Warten beginnt – in der Hoffnung, dass die Vögel näherkommen.

Morgendämmerung im Sumpfgebiet.
[Sterntaucher in der rechten oberen Bildhälfte am Seeufer erkennbar.]

Währenddessen geniesse ich die atemberaubende Sumpflandschaft und den umliegenden Föhrenwald. Bald geht die Sonne vollständig auf. Die Idylle wird jedoch durch unzählige Mücken gestört, die scheinbar von überall her auf mich zustürmen. Das ist unangenehm, doch wehren nützt in dieser Lage nichts – ich versuche, die Mücken zu ignorieren und mich weiterhin auf die Sterntaucher zu konzentrieren.

Red-throated Loon · Sterntaucher // 1/125 sec | f/6.3 | ISO 320 | 600 mm

Plötzlich höre ich ein Geräusch direkt hinter dem Busch – ein Sterntaucher! Völlig überrascht fahre ich zusammen. Zwischen mir und dem Vogel liegen kaum fünf Meter, schätze ich. Jetzt gilt es, ihn vor die Linse zu bekommen. Ich muss durch das Buschwerk hindurch fotografieren, was alles andere als einfach ist. Dennoch gelingt mir ein ziemlich gutes Porträt dieses Vogels. Er scheint überrascht, als ich mich leicht bewege, und entfernt sich langsam wieder von mir. Nun habe ich freies Sichtfeld und kann ein paar bessere Aufnahmen machen.

Red-throated Loon · Sterntaucher // 1/250 sec | f/6.3 | ISO 800 | 600 mm

Red-throated Loon · Sterntaucher // 1/320 sec | f/6.3 | ISO 800 | 600 mm

Ich bin fasziniert, wie elegant sich der Sterntaucher durchs Wasser bewegt. Sein langer Hals, der spitze Schnabel, das schöne Federkleid und besonders die rötliche Färbung an der Kehle machen ihn zu einem einzigartigen Vogel. Ich frage mich, wovon er sich ernährt, und beobachte, wie er immer wieder geschickt abtaucht. Teilweise bleibt er mehrere Minuten unter Wasser, bevor er wieder auftaucht. Später erfahre ich, dass sich Sterntaucher vor allem von Fischen, Krebstieren und Weichtieren ernähren – das passt gut zu diesem flachen Seegewässer.

Canada Goose · Kanadagans // 1/125 sec | f/6.3 | ISO 500 | 600 mm

Red-throated Loon · Sterntaucher // 1/320 sec | f/6.3 | ISO 800 | 600 mm

Neben den Sterntauchern war auch eine Kanadagans-Familie am See zu sehen. Es war beeindruckend zu beobachten, wie die Küken ihren Eltern hinterher schwammen. Diese Art ist – wie der Name schon vermuten lässt – in Schweden nicht heimisch, dennoch war es eine schöne Beobachtung.

Red-throated Loon · Sterntaucher // 1/320 sec | f/6.3 | ISO 500 | 600 mm

Lange beschäftige ich mich nicht mehr mit dem Fotografieren, denn die Sonne steigt immer höher, und das Licht wird zunehmend grell. Die schönen, weichen Farben des Morgens weichen einem harten Kontrast, der für die Fotografie ungünstig ist. Trotzdem beobachte ich die Vögel noch ein wenig bei der Nahrungssuche und ihrem eleganten Schwimmen.

Die schwedischen Seen und Sumpflandschaften haben es mir besonders angetan.

Schliesslich mache ich mich auf den Rückweg. Mit meiner Handy-Kamera schiesse ich noch ein paar Landschaftsbilder. Obwohl meine Uhr erst halb sechs am Morgen zeigt, bin ich bereits drei Stunden draussen unterwegs gewesen. Während viele Menschen noch schlafen, fühlt es sich für mich schon an wie Mittag. Und so langsam verspüre ich auch Hunger – das Frühstück habe ich vor lauter Aufregung ganz vergessen.

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